30 Jahre Rio Negro Partnerschaft

Was in den 90ern als Solidaritätsprojekt zwischen österreichischen Gemeinden und indigenen Volksvertreter:innen aus dem Amazonas begann, ist heute ein europaweites Vorzeigebeispiel für eine Partnerschaft auf Augenhöhe: gemeinsam Verantwortung für eine klimagerechtere Welt übernehmen.

Üppiges Grün und Wasser - Sinnbilder der Vielfalt des Amazonas; Foto: Kerstin Plaß/Klimabündnis Österreich

Der Regenwald - gestaltet durch seine Bewohner:innen 

Amazonien ist ein einzigartiges Wunderwerk der Natur und Beispiel für die optimale Nutzung begrenzter Ressourcen. Trotz nährstoffarmer Böden gedeiht hier Vielfalt und im Zusammenspiel zwischen Mensch und Natur entstand so das artenreichste tropische Regenwaldgebiet der Welt. 

Dass der Amazonas zudem unser Verbündeter im Klimaschutz ist, erkannten die Gründer:innen des Klimabündnis bereits in den 1990ern. Bereits damals zerstörten illegaler Holzeinschlag, Goldschürferei und Mineralabbau für den globalisierten Konsum diese grüne Lunge und stellten eine existentielle Bedrohung für indigene Völker dar, deren Lebensgrundlage der Regenwald ist. Damit einher gingen auch damals schon die Rodung des Waldes und die Vergiftung der Gewässer, was letztlich den Lebensraum und die Kulturen indigener Völker vernichtet. 

Österreich und der Amazonas gemeinsam für das Klima 

Um den Amazonas als Lebensraum und damit langfristig auch das Klima zu schützen, braucht es das gemeinsame Engagement. Daher verbindet das Klimabündnis Österreich seit 1993 österreichische Gemeinden und Städte mit indigenen Völkern im Nordwesten Brasiliens unter dem Motto „Global denken, lokal handeln.“ Seither schlossen sich über 1.000 Gemeinden, Städte sowie Bundesländer und -hauptstädte dem Klimabündnis in Österreich an und unterstützen Projekte zum nachhaltigen Regenwaldschutz am Rio Negro.   

Aufgebaut und in Österreich durch bereits über 1000 Vorträge bekanntgemacht wurde die Partnerschaft mit der FOIRN, dem Dachverband der indigenen Organisationen am Rio Negro, von Johann Kandler in Zusammenarbeit mit dem IIZ (Institut für Internationale Zusammenarbeit), später Horizont 3000. Wie kein anderer lebte und gestaltete der im Dezember 2021 verstorbene Amazonas-Experte diese Zusammenarbeit, die nach ihrem 30-jährigen Bestehen mittlerweile eindrucksvolle Früchte trägt.  

Mittlerweile 22 Delegations-Besuche indigener Vertrer:innen in Österreich sowie österreichischer Gemeinden am Rio Negro knüpften starke Bande und ermöglichten persönliche Begegnungen und Freundschaften mit nachhaltigen Folgen für die Arbeit dort wie hier.

Ausgewiesene Territorien sichern die Rechte der Indigenen - Foto: Kerstin Plaß, Klimabündnis Österreich

Landrechte und Selbstbestimmung  

Ziel der Partnerschaft war es nie, Regenwaldflächen freizukaufen, sondern die Menschen selbst dabei zu unterstützen, ihre Landrechte zu sichern. Und das ist in den letzten 30 Jahren gelungen. In aufwendigen Demarkierungsprozessen, die die Mitarbeit aller betroffenen Gemeinden, Völker aber auch von Wissenschafter:innen und Rechtsberater:innen brauchen, konnten regionale, klar abgegrenzte indigene Gebiete gesichert werden. Inzwischen ist der Obere und Mittlere Rio Negro gemeinsam mit den angrenzenden Gebieten das größte zusammenhängende und nachgewiesen intakte Regenwaldgebiet Brasiliens. So konnte bereits eine Fläche von 135.000 km2, so groß wie Österreich und die Slowakei zusammen, als indigenes Siedlungsgebiet langfristig geschützt und damit dem Raubbau von Ressourcen Einhalt geboten werden. Die indigenen Gebiete am Rio Negro schützen dabei ein reichhaltiges Mosaik einmaliger und empfindlicher Ökosysteme, die Abholzungsrate liegt unter 1%. 

Heute gibt es offizielle Landtitel für neun Teilregionen und weitere sind bereits in Ausarbeitung. Diese Regionen haben eigenständige, rechtsgültige Dokumente, sog. Territorial- und Umweltmanagementpläne, welche die indigene Verwaltung der Gebiete absichern. Zusätzlich gibt es Konsultationsprotokolle für die Region, die einen klaren Rahmen festlegen, nach welchen Kriterien externe Personen das Territorium betreten und/oder nutzen dürfen. Die Absicherung der Rechte für ein großes Gebiet gilt damit als gewährleistet und konnte selbst der akuten Bedrohung durch die Regierung Jair Bolsonaros weitgehend standhalten. Bedrohungen durch illegalen Mineralabbau, Holzeinschlag, Migrationsbewegungen aus den Grenzgebieten, Drogenhandel oder Jagd existieren vor allem in jenen Teilregionen, deren Landtitel noch nicht offiziell erteilt wurden. 

Regelmäßige Versammlungen der Basisvereine stärken die Zusammenarbeit in der Region / Foto: Kerstin Plaß, Klimabündnis Österreich

Indigene Gesellschaften brauchen starke Institutionen 

Ein wichtiger Eckpfeiler der Partnerschaft war die institutionelle Stärkung indigener Organisationen, u.a. durch den Ausbau der Kommunikationsinfrastruktur mit großteils solarbetriebenen Funkstationen zur besseren politischen Vernetzung. So konnte sich die FOIRN zu einer der stärksten Interessensvertretungen Indigener in ganz Amazonien entwickeln und war 2022 sogar Teil der Übergangskommission zur Einrichtung eines eigenen Indigenen Ministeriums in Brasilien. 

Heute vereint sie an die 90 indigene Basisorganisationen, die in 5 Regionalkoordinationen zusammenlaufen. Sie vertritt die Interessen von 23 Völkern und knapp 100.000 Menschen.  

Zudem leistete die Partnerschaft einen Beitrag zur Aufwertung traditionellen Wissens durch Schulprojekte sowie die Ausbildung indigener Umweltbeauftragter, gepaart mit der Stärkung des Kunsthandwerks sowie der traditionellen Landwirtschaft in der Region. Die Vermarktung der regionalen Produkte zu fairen Preisen ermöglichte die zunehmende Teilhabe von Frauen, sodass 2003 eine eigenständig agierenden Frauenabteilung eingerichtet wurde. 

Igapó-Regenwälder wie dieser gelten als besonders sensibel / Foto Kerstin Plaß, Klimabündnis Österreich

Der Regenwald macht unser Klima! 

Während indigene Völker nur ca. 6% der Weltbevölkerung ausmachen, sind 83% der Artenvielfalt in ihren Gebieten erhalten. Auch in Europa beginnen immer mehr Menschen zu verstehen, wie wichtig der Amazonas und naturbelassene Ökosysteme für uns alle, den weltweiten Klimaschutz und den Artenerhalt sind. Ab einem Verlust von 20-25 Prozent der Regenwald-Fläche Amazoniens befürchtet die Wissenschaft das Eintreten eines Kipppunkts – der Punkt, an dem die Schäden irreversibel sind. Dies wirkt sich letztlich auf das gesamte Weltklima aus und betrifft uns alle. Ob dieser Punkt bereits erreicht sein könnte, ist umstritten, aber sehr wahrscheinlich, denn rund 20% der ursprünglichen Fläche gelten bereits als zerstört. 

Und auch nach 30 Jahren ist es heute wichtiger denn je, die Werte, welche hinter dieser Partnerschaft stehen, mit Leben zu füllen: Dass wir die Klimakrise nur lösen können, wenn wir alle an einem Strang ziehen und lokale Antworten auf globale Probleme in die Tat umsetzen. Dazu braucht es auch die Fortführung der internationalen Zusammenarbeit und eine breite Koalition verschiedenster Akteur:innen, um die indigene Bewegung am Rio Negro sowie den lokalen Klimaschutz in Österreich zu mobilisieren. Denn auch in Österreich muss es unser Ziel sein, eine lebenswerte Umgebung für uns alle und künftige Generationen zu erhalten, die Artenvielfalt zu fördern und unsere Mensch-Umwelt-Beziehung neuerlich zu stärken. 

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